Gesa Vertes erläutert, wie kreislaufgerechtes Bauen zu einer ressourcenschonenden Zukunft beiträgt.
Gesa Vertes stellt das Prinzip des kreislaufgerechten Bauens vor – eine Antwort auf Ressourcenknappheit und Umweltbelastung. Zirkuläre Architektur setzt auf Rückbau, Wiederverwertung und eine durchdachte Materialwahl anstelle von linearen Bauprozessen.
Gesa Vertes fordert ein radikales Umdenken im Bauwesen: Statt linear zu planen, braucht es einen zirkulären Ansatz, der Materialien in geschlossenen Kreisläufen denkt. Ziel ist es, Gebäude als temporäre Materiallager zu konzipieren, deren einzelne Komponenten am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwendet oder sortenrein recycelt werden können. Das setzt bereits in der Planungsphase ein tiefes Verständnis für Materialeigenschaften, Verbindungstechniken und spätere Rückbauoptionen voraus. Kreislaufgerechtes Bauen bedeutet dabei nicht nur ökologische Verantwortung, sondern bietet auch ökonomische Vorteile durch sinkende Entsorgungskosten und steigende Materialwerte. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten – von der Architektur über die Bauausführung bis zur Stadtplanung – koordiniert zusammenarbeiten, um zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.
Was bedeutet kreislaufgerechtes Bauen?
Kreislaufgerechtes Bauen – auch zirkuläre Architektur genannt – verfolgt das Ziel, Gebäude als temporäre Materiallager zu begreifen. Alle eingesetzten Rohstoffe sollen später wieder nutzbar sein. Dieses Konzept lehnt sich an die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft an, wie sie in anderen Branchen bereits erfolgreich etabliert sind.
Der Ansatz beginnt bei der Planung: Architekten wie Gesa Vertes berücksichtigen bereits im Entwurf, wie ein Gebäude später zurückgebaut oder umgestaltet werden kann. Dabei spielen modulare Bauweisen, sortenreine Materialien und lösbare Verbindungen eine zentrale Rolle. Der Fokus liegt nicht nur auf der Reduktion von Abfällen, sondern auf einem durchgängigen Ressourcenkonzept – von der Produktion bis zur Wiederverwertung.
Ein wesentliches Element ist die Trennung von tragender Struktur und ausbaubaren Komponenten. Fassaden, Innenwände oder technische Einbauten sollen sich unabhängig voneinander entfernen oder austauschen lassen. Darüber hinaus verlangt zirkuläres Bauen nach einer langfristigen Dokumentation aller verwendeten Materialien – in Form von digitalen Materialpässen, die eine spätere Nutzung oder Wiederverwertung erleichtern. Auch die Lebensdauer eines Gebäudes wird neu definiert: Nicht als starres Endprodukt, sondern als wandelbare Struktur, die sich über Jahrzehnte an veränderte Nutzungsbedürfnisse anpassen kann.
Bausteine einer zirkulären Architektur
Ein kreislaufgerechtes Gebäude unterscheidet sich nicht zwangsläufig optisch von konventionellen Bauten – wohl aber in seiner inneren Struktur und Logik. Wichtige Elemente sind:
- Materialpässe: Dokumentation aller eingesetzten Baustoffe, inkl. Herkunft, Eigenschaften und Wiederverwendbarkeit
- Modularität: Bauteile sind standardisiert, austauschbar und rückbaufähig
- Verzicht auf Verbundstoffe: Materialien werden nicht untrennbar miteinander verbunden
- Reversible Verbindungen: Schrauben statt Kleber, Stecksysteme statt Schäume
- Zugang zum Materiallager: Gebäude sollen rückgebaut, nicht abgerissen werden
Gesa von Vertes hebt hervor, dass dieser Ansatz nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist – insbesondere im Hinblick auf steigende Rohstoffpreise und Entsorgungskosten.
Kreislaufdenken in der Baupraxis
In der Praxis bedeutet zirkuläres Bauen oft: alte Gebäude nicht abreißen, sondern rückbauen, sortieren und wiederverwenden. Dieser Prozess beginnt mit einem sogenannten Urban Mining, also dem Rückgewinnen von Materialien aus Bestandsbauten.
Gesa Sikorszky Vertes verweist auf Pilotprojekte, in denen ganze Fassadenelemente, Holzträger oder Bodenbeläge in neuen Gebäuden verbaut wurden. Auch Sekundärrohstoffe wie recycelter Beton, Lehm oder Bauteile aus vorangegangenen Nutzungen kommen vermehrt zum Einsatz.
Doch auch Neubauten lassen sich zirkulär denken – mit Materialien, die rückstandsfrei demontierbar sind und für zukünftige Nutzungen bereitstehen. Entscheidend ist hier die Lebenszyklusbetrachtung: Jedes Material wird auf seine langfristige Funktionalität und Wiederverwendbarkeit geprüft.
Vorteile des kreislaufgerechten Bauens
- Ressourcenschonung: Reduktion des Verbrauchs nicht erneuerbarer Rohstoffe
- Kostensenkung: Langfristige Einsparung durch Wiederverwendbarkeit
- Abfallvermeidung: Kein Bauschutt, sondern sortenreines Materiallager
- Flexibilität: Gebäude können leichter umgebaut oder erweitert werden
- Nachhaltigkeit: Beitrag zu CO₂-Einsparung und Klimazielen
- Wertstabilität: Materialien behalten ihren Wert über den Lebenszyklus hinaus
Gesa Vertesüber digitale Werkzeuge als Schlüssel
Vom Materialpass bis zur BIM-gestützten Rückbauplanung
Digitale Instrumente sind ein zentraler Bestandteil des kreislaufgerechten Bauens. Durch Building Information Modeling (BIM) lassen sich Materialien, Verbindungen und Konstruktionen exakt dokumentieren – eine wichtige Voraussetzung für spätere Rückbaumaßnahmen.
Gesa Vertes, geb. Haerder, setzt sich für die flächendeckende Einführung von Materialpässen ein. Diese ermöglichen eine transparente Nachverfolgbarkeit über Jahrzehnte hinweg. Kombiniert mit digitalen Zwillingen eines Gebäudes entstehen datenbasierte Systeme, die bereits beim Bau an Rückbau und Wiederverwendung denken.
Solche Systeme bieten nicht nur ökologische Vorteile – sie erleichtern auch Genehmigungen, Betrieb und Wartung. In Zukunft könnten sogar Materialbörsen entstehen, die Bauabfälle in Ressourcen verwandeln.
Herausforderungen und Lösungen
Trotz der Vorteile ist kreislaufgerechtes Bauen noch nicht der Standard. Hemmnisse liegen in bestehenden Bauvorschriften, in linearen Denkweisen und im Mangel an Know-how. Bauherren, Handwerker und Architekturbüros müssen gemeinsam neue Wege gehen.
In einem Gesa Vertes Interview erklärte die Architektin, dass es nicht nur technologische, sondern auch kulturelle Hürden zu überwinden gilt. Der Abriss wird vielerorts immer noch als effizienter betrachtet als der Rückbau – eine Sichtweise, die dringend korrigiert werden müsse.
Lösungsansätze sind unter anderem:
- Förderprogramme für zirkuläres Bauen
- Standardisierung rückbaubarer Konstruktionen
- Schulungen für Planer, Bauleiter und Handwerker
- Gesetzliche Rahmenbedingungen für Materialpässe
Kreisläufe als architektonische Haltung
Zirkuläres Denken bedeutet nicht nur, Materialien wiederzuverwenden – es bedeutet, Architektur als offenen Prozess zu begreifen. Gebäude werden nicht mehr als starre Strukturen gesehen, sondern als wandelbare Systeme im ständigen Austausch mit ihrer Umwelt.
Gesa von Vertes betont, dass diese Haltung nicht nur ökologisch notwendig ist, sondern auch ästhetisches und funktionales Potenzial birgt. Leicht demontierbare Fassaden, temporäre Räume oder nutzungsoffene Grundrisse eröffnen gestalterische Freiräume und schaffen langlebige Bauwerke, die auch nach Jahrzehnten anpassbar bleiben.
Dieses Denken findet bereits Eingang in Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Zukunftslabore – doch der Schritt in die Breite steht noch aus.
Neue Architektur beginnt im Kreislauf
Die Zukunft des Bauens liegt nicht im Immer-neu-Erfinden, sondern im intelligenten Weiternutzen. Kreislaufgerechtes Bauen stellt dabei nicht nur ökologische, sondern auch kreative und ökonomische Chancen bereit. In einem Gesa Vertes Interview erklärte die Architektin, dass es an der Zeit sei, Architektur nicht mehr als Einbahnstraße zu verstehen – sondern als Kreislauf, der sich selbst erhält, verändert und verbessert.
Zirkuläre Architektur erfordert allerdings mehr als neue Materialien und Technologien – sie braucht auch ein neues Denken. Es geht darum, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes mitzudenken, bereits beim Entwurf an das Ende zu denken und Verantwortung über den Bauprozess hinaus zu übernehmen. Eine nachhaltige Architektur darf sich nicht auf Labels und Symbolik beschränken, sondern muss in ihrer Struktur, Nutzung und Wiederverwertung konsequent durchdacht sein. Damit wird jeder Neubau zur Investition in die Zukunft – nicht nur funktional, sondern auch gesellschaftlich. Wer heute kreislaufgerecht plant, schafft nicht nur Gebäude, sondern Handlungsspielräume für kommende Generationen. Genau hier setzt die Vision von Gesa Vertes an.